3. Disziplin 42,2 km Laufen

Nun bin ich also endlich bei meiner vermeintlichen Paradedisziplin angekommen.
Immerhin hatte ich vorher noch nie eine –für meine Verhältnisse- so gute Laufform.
Im Training bin ich im Grundlagenausdauertraining ca. 5 Minuten/km gelaufen.
Da ich wusste, dass der Marathonkurs hier sehr schwer ist, hab ich zahlreiche
Läufe auf den Nassauer Burgberg mit ins Training gepackt. Das liess mich eigentlich hoffen,
diesmal eine neue Bestzeit für mich aufzustellen. Also los! Da man beim Ironman sehr schnell platzen kann,
wenn man zu schnell losläuft, halte ich mich anfangs aber betont zurück.
Gut, mich zurückzuhalten fällt mir ehrlich gesagt nicht sonderlich schwer.
Dafür aber irgendwie das Laufen! Verdammte Hacke ist das ekelig. Jetzt wo einem der Fahrtwind fehlt,
merkt man erst wie abartig warm und drückend es ist. Morgens hatten wir auf dem Weg zum Start um
05:00 Uhr bereits 21°C. Mittlerweile steht das Thermometer aber weit über 30°C und die unglaublich hohe
Luftfeuchtigkeit kühlt einen auch nicht ab. Eher im Gegenteil. Ich hatte schon nicht allzuviel an.
Aber auf den ersten Kilometern hätte ich am liebsten alles weggeschmissen. Der Gürtel mit meinen Energiegels
und Magnesiumtabletten geht mir mittlerweile ebenfalls gewaltig auf den Sack.
Nie wieder nehm ich so´n Teil mit! Jedes Gramm, ist mir momentan zuviel. 
Mit 6:40 Minuten/km laufe ich recht langsam. Die Herzfrequenz liegt aber bereits in dem Pulsbereich,
den ich normalerweise bei 5 min/km habe. Das kann mich auch nicht unbedingt erheitern.


 Bei Kilometer 2 habe ich ein erhebliches Motivationstief. Zum Glück kam da ein Mexikaner (Simon Kawa)
an mich herangelaufen und fragte, ob wir zusammen laufen könnten. Klar! Bis Kilometer 7 haben wir uns prima unterhalten.
Die wichtigste Erkenntnis, die aus diesem Gespräch hervorging ist, dass ich unbedingt Spanisch lernen muss.
Er hat nämlich alle Perlen vollgetextet, zuerst auf Englisch aber die meisten wirklich gut aussehenden sprachen nur Spanisch.
Bei Kilometer 7 fingen aber dummerweise die ersten Anstiege an und weil ich wieder mal zu wenig gegessen
und getrunken hatte, musste ich meiner eigenen Dummheit Tribut zollen und Simon leider alleine weiterlaufen lassen.
Bei Kilometer 8 erreichte ich dann den absoluten Hammerhügel. Das Ding hat ca. 20% Steigung. Im Training kam ich da
locker hoch aber jetzt...?! Nun sagen wir mal, der Hügel hat mich sehr schnell zu einer Gehpause überredet. Ausserdem hab
ich hier eine Bekannte getroffen. Mit ihr hab ich erstmal paar Minuten geredet und bevor ich weiterlief hab ich ihr
den oben erwähnten Gürtel „vor die Füße verloren“. Fremde Hilfe ist eigentlich untersagt. Aber wenn jemand was verliert,
mann´s doch jemand finden, oder?

 

 

Für das weitere Vorankommen hatte ich mich für die Taktik „Laufen von Verpflegungstation zu Verpflegungsstation,
danach hundert Meter oder bißchen mehr Gehen“ entschieden. Das ist zwar nicht gerade schnell aber mittlerweile
wollte ich sowieso nur noch ankommen. Man fliegt ja schliesslich nicht um die halbe Welt, um dann nicht anzukommen
und sich jahrelang darüber zu ärgern! Die Taktik ist eigentlich ganz okay. Ich unterhalte mich zeitweise noch mit den Helfern.
Meistens sind sie weiblich und sehen recht korrekt aus. Das hält wirklich auf! Die Strecke zieht sich trotzdem endlos.
Auch wenn die Streckenauslegung -zuerst eine 21,1 km lange Runde in den Nachbarort, danach zwei Runden um Jurere-
mir auf dem Papier sehr zugesagt hatte. Nach der Halbmarathonmarke treffe ich meine Bekannte wieder und verliere
doch glatt auch noch den Sender von meinem Herzfrequenzmesser. Das Ding ging mir mittlerweile nämlich auch gewaltigst
auf den Nerv. Auf jeden Fall hab ich mir geschworen, dass ich nie wieder so viel Zeug mitnehme.
Beim Laufen brauch ich den Herzfrequenzmesser sowieso nicht. Meine anaerobe Schwelle liegt so hoch,
dass ich mit meiner Herzfrequenz bei einem Ultradistanztriathlon ohnehin nicht einmal ansatzweise rankomme.
Das wäre ja anstregend! Die Temperaturen sinken auch nach Einbruch der Dunkelheit, also gegen 17:30 Uhr, 
nicht merklich. Mein Tempo wird folglich auch in der zweiten Hälfte des Marathons nicht schneller.
Vielmehr merke ich langsam die Auswirkungen von Kohlenhydrat- und Flüssigkeitsmangel.
Da mein Hirn aber offensichtlich schon auf Sparflamme läuft, peile ich erst am nächsten Tag,
dass ich wesentlich mehr in mich hätte reinschaffen müssen.  Naja ist ja auch egal.
Irgendwann hatte ich dann auch nur noch drei Kilometer zu laufen. Klingt ja ganz nett, aber das kann sich auch ziehen.
Vor allem, wenn es eine ewig lange Gerade ist. Aber selbst die längste Gerade ist irgendwann zu Ende und so laufe
ich nach 13:04:52 als 662. von insgesamt 1.200 Athleten ins Ziel. Für meine Trainingsumfänge
(durchschnittlich weniger als acht Stunden pro Woche) eigentlich gar nicht so schlecht.
Vor allem wenn man bedenkt, dass über 200 Athleten das Ziel an diesem Tag leider nicht zu sehen bekamen.
Aber das Beste ist, dass mein Finisherfoto wider Erwarten gar nicht mal so zombiemäßig aussieht...


Fazit:

2004 hab ich den Ironman Lanzarote gefinished.
Den härtesten Ironman der Welt! Deswegen war ich ja da.
Ich kann nur sagen, das Ding hier fand ich unter den diesjährigen
Bedingungen wesentlich schwieriger. Während dem Wettkampf
denkt jeder sicher darüber nach, warum man sich sowas antut.
Nun, als alter Philosoph, habe ich auf diese Frage kürzlich geantwortet:
 „Wir tun das...damit es vorbei geht!“

Michael Schmitz im Juni 2005